Mein erster Gedanke war: solch ausgedehnte öffentliche Feierlichkeiten über das Elend einer Einzelperson habe ich zuletzt bei der Ermordung bin Ladens erlebt, und damals gab es immerhin Backlash. Vielleicht spricht sich ja hierzulande noch jemand für eine islamisch korrekte Bestattung von Herrn Straches Karriere aus.

Devil’s Advocat zu spielen ist mir nicht nur ein religiöses Anliegen, damit beginnt jede Annäherung an ein Thema. Aber hier fällt mir nicht allzu viel ein. Dass diese Art der Korruption auch in anderen politischen Lagern Gang und Gebe ist, mag stimmen, aber bei dem Gedanken gehe ich mir fast schon selbst auf die Nerven. Der Theorie vom „deep state coup“ gegen die FPÖ, die u.a. von Martin Sellner vertreten wird, kann ich grundsätzlich etwas abgewinnen, aber selbst wenn, dann wurde eher ein neuer Mitbewerber um die Steuergeldvergabe ausgeschaltet, kein Aufdecker. Sympathien dementsprechend beherrschbar.

Ich konnte mich also zumindest in Maßen mitfreuen, immerhin hat da eine Regierung versagt. Und es war kein Bauernbürgermeister mit Doppelachter im Kennzeichen, der die FPÖ zu Fall gebracht hat, sondern Korruption. Besonders verschlimmert, in einer Ära zwecksoptimierter Kaltkriegs-Nostalgie, durch die Einbindung angeblicher RussInnen.

Jetzt wo die Korruptionsbekämpfung brav die Rechten gestürzt hat, müssen wir noch eine Weile so tun, als wär sie uns wichtig, dann ist das Ding im Kasten. Die Maßnahmen scheinen klar: mehr Kontrolle, mehr staatliche Mittel für die Bekämpfung der Veruntreuung staatlicher Mittel. Das Problem waren ja nie die Machtpositionen, sondern dass die Bösen sie innehaben.

Hier nützt, wie so oft, ein Blick auf die Hysteria. Deren Vision vom goldenen Matriachat zeigt die Absurdität männlicher Wertvorstellungen und resultierender Machtkonstrukte, (wie satirisch das wirklich gemeint ist, weiss ich selber nicht, das machts umso besser). Mein Fazit wäre: Keiner sollte diese Macht über seine Mitmenschen haben. Aber so wie wahrscheinlich Einige das Matriachat unironisch als Lösung für das Patriachat vorschlagen, sehen die Meisten als Mittel gegen Korruption das simple Besetzen von Machtpositionen mit nicht-korrupten Personen.

Wenn ich an dieser Stelle holprig auf F. A. Hayek’s Road to Serfdom verweise, bin ich mir durchaus bewusst, dass wir nicht im totalitären Sozialismus/Faschismus leben, vor dem der Autor 1944 warnt, (genug libertäre Gesinnungsgenossen würden freilich nicht müde, dem zu widersprechen). Die Machtpositionen, von denen auch im titelgebenden Kapitel Why the Worst Get on Top die Rede ist, sind im Ausmaß natürlich zu unseren unterschiedlich, ich will staatliche Aufträge für Infrastruktur nicht mit kommunistischer Planwirtschaft vergleichen. Also eigentlich schon. Aber nicht hier.

In besagtem Kapitel geht es vor allem um die Annahme und Hoffnung, dass „gute Menschen“ in Machtpositionen diese wohlwollend ausüben. Und warum das generell nicht der Fall ist.

Yet while there is little that is likely to induce men who are good by our standards to aspire to leading positions in the totalitarian machine, and much to deter them, there will be special opportunities for the ruthless and unscrupulous.

Diese „guten Menschen“ hätten demnach wenig Ambitionen, Ämter anzunehmen, in denen sie über Andere bestimmen. Eine Art umgekehrter Dunning-Krüger: um für eine Machtposition gut geeignet zu sein, braucht es die Einsicht, dass man diese nicht innehaben sollte. Oder in den Worten von Lord Varys, Luzifer hab ihn selig: have you considered the best ruler might be someone who doesn’t want to rule“.
Wer sich jedoch der Aufgabe gewachsen denkt, Millionen an Steuergeld im Sinne der Allgemeinheit zu verwalten, mit dem/der läuft etwas schief. Und die Aufgabe selbst hat vermutlich mehr Reiz für korrupte und machtgierige Gestalten.

Alles was ich mir wünsche ist ein sanftes Erwägen einer Reduzierung der Staatsmacht als Antwort auf Korruption. Statt einfach mehr Kontrolle und Bemühungen, Menschen für einen Job zu gewinnen, die davon natürlich weg gravitieren. Jetzt wird man sagen, dass damit diese Macht freigesetzt und dem gefürchteten Bürger unkontrolliert überlassen wird, und darauf könnte ein versierter(er) Libertärer um einiges ausführlicher antworten, ich beschränke mich einstweilen auf eine weitere Serfdom-Passage:

What all those who argue in this manner overlook is that, by concentrating power so that it can be used in the service of a single plan, it is not merely transferred but infinitely heightened; that, by uniting in the hands of some single body power formerly exercised independently by many, an amount of power is created infinitely greater than any that existed before, so much more far-reaching as almost to be different in kind.

Es gibt es wohl keine kontraintuitivere Handlung, als die eines Staatsmannes, auch nur einen Teil seiner Macht aufzugeben, vielleicht vergleichbar mit einem Mann, der seine Rolle als Geschäftsführer oder Familienoberhaupt aufgeben soll. Da herrscht Angst vor Kontrollverlust, oder Retribution der bisher Unterlegenen. Und es gibt bestimmt bessere und schlechtere Herangehensweisen, aber zumindest einen Versuch wäre es wert.

Bis dahin gilt es weiter zuzusehen, wie die Schlimmsten nach oben wandern.